Marseille, Südfrankreich, Hauptstadt des Bezirks Provence-Alpes-Côte d’Azur, zweitgrößte (nach Paris) und älteste Stadt Frankreichs, wichtige Hafenstadt und Heimat des Autors Jean-Claude Izzo. Mein Bruder und ich haben seine Romane geliebt (die Trilogie „Total Cheops“, „Chourmo“ und „Solea“). Nur aufgrund seiner Schilderung der Stadt, sowohl die schönen als auch die hässlichen Seiten, die aber immer voller Liebe war, haben wir uns zu einem Besuch entschlossen. Allerdings hat er seine Romane Mitte/Ende der neunziger Jahre geschrieben… Dies ist unser (kurzgefasster) Reisebericht.
Wer nur an meiner (persönlichen) Zusammenfassung interessiert ist, liest einfach unten weiter. Im Info-Kasten sind auch meine Tipps zu Sehenswürdigkeiten, etc. zu finden. Wer interessiert ist an meiner Sicht auf Marseille, liest jetzt hier weiter.

Marseille – das Ambiente
Das wichtige vorab, damit ihr wisst, was hier im Beitrag für ein „Wind“ weht: Marseille ist hässlich. Es ist eine große und hässliche, laute Stadt. Selbstverständlich gibt es auch hier schöne Ecken, trotzdem ändert sich für mich dadurch nichts an meinem Gesamteindruck. Ich muss dazu sagen, dass ich in einer wirklich schönen Stadt lebe, nämlich in Hamburg, deshalb ist ein direkter Vergleich natürlich nicht immer fair.
Marseille ist ockerfarben. Die Luft ist feucht und drückend. Die Geschäfte sind fast alle vergittert oder nach Ladenschluss mit Rollläden geschlossen. Alles ist voller Graffiti, nicht immer schön, manchmal auch einfach nur „Tags“, was einem nicht aus dem Milieu kommenden als Verschandelung der Fassade erscheint. Also sehen die Straßen mit geöffneten Geschäften definitiv besser aus. Ich finde Marseille aber im Dunkeln immer noch am schönsten. Es gibt nur wenig Bäume oder generell Pflanzen. Dafür viele Menschen und Fortbewegungsmittel. Fußgänger, Fahrräder, Mofas, E-Roller, Autos und auch Straßenbahnen teilen sich Gehwege und Straßen. Erstaunlicherweise funktioniert das. Ohne Gehupe und Geschrei. Alle nehmen irgendwie aufeinander Rücksicht. Jedem Fahrer auf der „falschen“ Spur ist bewusst, dass er auf die anderen Rücksicht nehmen muss.
Marseille – die Menschen
Die Marseiller reden gerne und viel, aber leise. Sie essen gerne. Mittags sieht man sie in allen Lokalen einen Imbiss zu sich nehmen. Es gibt fast überall zumindest Sandwiches, häufig auch kleine warme Gerichte. Und erstaunlich viel Pizza. Und die ist gut! Weil Italien nur zwei Autostunden entfernt ist und es viele Italiener in der Stadt gibt. Die Menschen hier waren uns gegenüber durchweg freundlich und auch teilweise neugierig. Anfeindungen gab es keine.

Einige Viertel und Orte, die uns gefallen haben
Gelebt haben wir während unseres Aufenthaltes nahe der Einkaufsstraße „La Canebière„, die vom Alten Hafen, dem „Vieux Port„, geradeaus an diversen Geschäften vorbei den Berg hinaufführt zur „Eglise Saint-Vincent-de-Paul“. Der Weg hierher lohnt sich zum Einen wegen des klitzekleinen Imbiss und Restaurants „La Boite à Sardine„. Hier gibt es in einer wunderbar kuscheligen Atmosphäre wirklich gute Meeresfrüchte, allerdings wie so vieles, das gut ist, auch sehr hochpreisig. Aber vor allem können wir die kleine Bio-Bäckerei „Le Bar à Pain“ empfehlen. Hier gibt es nicht nur wirklich tolle und leckere Brot- und Backwaren, sondern man kann auch diverse belegte Baguettes oder Quiches direkt vor Ort essen. Es gibt eine kleine Terrasse vor der Tür in verkehrsberuhigter Lage, auf einem kleinem Platz unter Bäumen. Und die Jungs dort wissen auch, wie man einen guten Cappuccino zubereitet. Denn seien wir einmal ehrlich: in Deutschland sind wir inzwischen mega verwöhnt, wenn es um guten Kaffee geht 😉
Das Viertel Noailles
Was uns außerdem sehr gut gefallen hat war der Stadtteil „Noailles“, der vor allem nordafrikanisch geprägt ist. Hier gibt es täglich einen Obst- und Gemüse-Markt und ganz viele kleine Lädchen und Cafés, die arabische, tunesische, syrische, marokkanische… Speisen und Alltagsgegenstände verkaufen. Hier fand ich die harmonische Atmosphäre einfach faszinierend, egal welche Herkunft oder Haarfarbe du hast, keine Anfeindungen o.ä. waren spürbar, weder uns gegenüber noch untereinander. Empfehlenswert hier ist das Café „Le Palmier“, die unglaublich leckere tunesische Backwaren haben. Fast alle Cafés bieten auch einen kleinen Mittagstisch an. Hier soll der Couscous ausgesprochen gut sein, allerdings sind wir dazu nicht mehr gekommen – die süßen klebrigen Backwaren mit dem ebenfalls gesüßten Minztee waren üppig genug.
Der Gewürzhandel „Le Saladin“ hat eine Wahnsinns Auswahl an Gewürzen, Oliven, Käse, Seifen, Nüssen, etc. Hier hätte ich mich diverse Stunden aufhalten können. Die Gewürze sind in großen Säcken gelagert, die Düfte vermischen sich alle und erst einmal fühlt man sich erschlagen von der Vielfalt. Auch hier gilt: sei ruhig neugierig und frag nach. Die Verständigung erfolgt manchmal mithilfe von Händen und Füßen, falls dein Französisch nicht ausreicht.
Das Viertel Le Panier
Ein weiteres empfehlenswertes Viertel ist „Le Panier“, das älteste Viertel der Stadt, gleich hinter dem Rathaus, oberhalb des Alten Hafens. Verwinkelte Gassen, steile Stufen und schmale Häuser kennzeichnen das idyllische Viertel. Ein Gemisch aus alteingesessenen Marseillern, arabischen Einwanderern und Künstlern leben hier. Es ist wie ein kleines Dorf mitten in der Millionenstadt. Hier findest du Boutiquen, Galerien, Antiquitätenhändler und kleine Läden, die die echte Savon de Marseille verkaufen. Und wenn du eine echte Marseiller Spezialität kosten möchtest empfehle ich dir die Bäckerei „Les Navettes des Accoules“. Hier werden die kleinen Schiffchen täglich frisch gebacken.
Der Alte Hafen „Le Vieux Port“
Der Alte Hafen „Le Vieux Port“ ist der Treffpunkt für Jung und Alt und stellt quasi die Partymeile dar. Hier gibt es (überteuerte) Restaurants, jede Menge Bars und Life Musik. Wir haben nicht alles ausprobieren können, aber empfehlenswert hier ist der kleine Souvenirladen „Marseille In The Box“ hinter der Kirche „Eglise Saint-Ferréol les Augustins“. Ein bisschen versteckt bekommt man hier tolle Mitbringsel von Marseiller Künstlern gestaltet oder auch Pastis von diversen kleinen Manufakturen hergestellt. Ach ja, der Pastis… Er wird eigentlich nur noch von der älteren Generation getrunken, die jungen trinken Wein oder Bier zum „Apéro“. Und die beiden am häufigsten verbreiteten Sorten sind „51“ und „Ricard“ und gehören beide zur größten Spirituosen-Manufaktur, nämlich Pernod.
Wenn du am Alten Hafen weitergehst Richtung „Mucem“ befinden sich auf der rechten Seite jede Menge Restaurants, die wir nicht getestet haben. Aber eines sticht hervor und das möchte ich dir gerne ans Herz legen: „Chez Madie (les Galinettes)“. Die Atmosphäre ist ungezwungen, das Service-Personal jung, die Chefin kommt an die Tische und erkundigt sich nach deinem Wohlergehen. Das Besondere hier sind die witzigen Cartoons und Zeichnungen, die ein ansässiger Künstler angefertigt hat und die du sowohl in der Speisekarte als auch im Restaurant findest. Außerdem gibt es eine wirklich gute Bouillabaisse, und dir wird auch erklärt, wie du sie isst.
Die Bouillabaisse
Die Bouillabaisse ist in Marseille nämlich so eine Sache. Als Spezialität der Stadt solltest du sie wirklich einmal probieren und dich bitte von den Preisen nicht abschrecken lassen. Diese Fischsuppe wird aus diversen frischen Speisefischen zubereitet und benötigt ihre Zeit. In der Regel wird sie als zweigängiges Menü angeboten: zuerst bekommst du die reine Suppe mit Weißbrot und Rouille (eine Art Mayonnaise) und als zweiter Gang folgt der Fisch mit Kartoffeln und Gemüse. Die Preise variieren je nach Restaurant zwischen 40,- – 80,-€. Wenn du kein Fisch-Fan sein solltest bist du bei Madie trotzdem gut aufgehoben: ihr Vater ist/war Metzger und die Fleischauswahl soll ebenfalls sehr gut sein. Hier werden z.B. auch Teile des Schweins zubereitet, die man bei uns gerne außer Acht lässt 😉

Und noch zwei Ausflugtipps:
Unbedingt einen Tagesausflug machen in die „Calanques“. Das sind mehrere kleine fjordähnliche Buchten mit wundervollem Wasser zwischen Marseille und Cassis. Du kannst hier wandern (wunderschön, aber vielleicht nicht so geeignet für Anfänger) oder mietest dir ein Boot oder buchst eine Tour.
Und wenn du genug hast vom lauten Marseille und dich nach Ruhe und Entspannung sehnst: fahr nach Aix-en-Provence. Busse fahren alle 20 Minuten vom Hauptbahnhof ab und du bist innerhalb von 40 min. in einem wunderschönen, verkehrsberuhigten, alten, sauberen, kleinen Studenten-Städtchen. Hier haben wir uns nur einen Tag aufgehalten, aber es war ein Genuss. Empfehlenswert ist die Patisserie „Leonard Parli“. Hier bekommst du die Spezialität der Stadt „Calissons d‘Aix“, eine Süßigkeit aus Mandeln, kandierten Melonen und Orangen. Und wenn du Käse so sehr liebst wie ich solltest du zu Mittag ins „La Fromagerie“ gehen. Ein Traum in Käse 🙂 Selbstverständlich bekommst du hier auch Probierplatten und diverse warme Gerichte.


Zusammenfassung
- Marseille ist einen Tagesausflug wert, wenn du in der Nähe bist oder dich für bestimmte Sehenswürdigkeiten interessierst
- Das Umland (die Provence) an der Küste und im Landesinneren ist wirklich schön
- Solltest du länger als 3 Tage bleiben lohnt sich der Aufwand für ein Wochenticket, sofern du mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bist. Du musst dir einmalig eine Karte ausstellen lassen mit deinem aktuellen Foto (10 Jahre gültig) und lädst diese dann ganz gemütlich an den Automaten auf. Das Wochenticket kostet ca. 15,-€ und beinhaltet auch das nähere Umland. Grundsätzlich lohnt es sich immer, gleich Hin- und Rückweg zu bezahlen – hier kann enorm gespart werden!
Lecker und/oder schön
- Le Bar à Pain, Bio-Bäckerei und Café, 18 Cours Joseph Thierry, 13001 Marseille
- Obst- und Gemüsemarkt, Le Marché des Capucins im Viertel Noailles (gleichnamige Metro-Station)
- Le Palmier, tunesisches Café und Restaurant, 42 Rue Vacon, 13001 Marseille
- Le Saladin, Gewürzhandel, 10 Rue Longue des Capucins und 76 La Canebière, 13001 Marseille
- Les Navettes des Accoules, Spezialitäten-Bäckerei, 68 Rue Caisserie, 13002 Marseille
- Marseille In The Box, Souvenir-Laden, 13 Rue Reine Elisabeth, 13001 Marseille
- Mucem, Museum, 1 Espl. J4, 13002 Marseille
- Chez Madie (les Galinettes), Restaurant, 138 Quai du Port, 13002 Marseille
- Chez Fonfon, Restaurant, 140 rue du Vallon des Auffes, 13007 Marseille
- Sofitel, Hotel mit Bar, toller Blick über den Alten Hafen, perfekt zum Apéro beim Sonnenuntergang, 36 Boulevard Charles Livon, 13007 Marseille
- Cassis, Fischereihafen Nähe Marseille, kleines Städtchen, Ausflug in die Calanques (wunderbar mit dem Bus zu erreichen)
- Leonard Parli, Spezialitäten-Bäckerei, 35, avenue Victor Hugo,13100 Aix-en-Provence
- La Fromagerie, Käse-Fachhandel und Restaurant, 55 Cours Mirabeau, Passage Agard, 13100 Aix-en-Provence