Ich bin fein eingeladen – in ein edles Stadthaus in St. Georg. Es erwarten mich zwei extrem herzliche Gastgeber an einer riesigen Holztür. Ich freue mich schon den ganzen Tag auf das angekündigte 3-Gänge Menü mit allen Schikanen und schwebe in das Hausinnere. Und bin sofort ein anderer Mensch. Irgendwas zwischen Prinzessin und MI-5-Agentin. Der Grund: Alles hier ist groß, opulent und edel. Und doch darf ich im Lauf des Abends feststellen: auch reiche Menschen haben kleine Küchen!
Das Riesenhaus mit 3 Stockwerken und der großzügige blumige Garten mit Stein-Sitzecke schinden ordentlich Eindruck bei mir. Eine nette Frau drückt mir ein Glas Champagner in die Hand. ich staune mit offenem Mund. Im Grunde ist mir ja Geld und Status piepe, aber hier bin ich berauscht von soviel Feinsinn und Schönheit.
Mitten in meiner Schwärmerei sehe ich eine halboffene Tür im Flur. Als sie sich ganz öffnet und eine Frau mit einem großen Korb Brot hindurchhuscht, sehe ich das, was ich minutenlang nicht fassen kann: eine absolut kleine mickrige fast übersehbare Miniküche – allerhöchstens 15 Quadratmeter!
„Ha!, denke ich nach dem ersten Schock, das gibt’s ja nicht, sogar megareiche Menschen, die ein Riesenhaus in der Stadt besitzen, haben eine kleine Küche und leben damit.“ Wie ich den weiteren Abend feststelle, sogar sehr gut.
Später am Abend
Bei meiner späteren Küchenbegehung sehe ich auf’s letzte eingepasste Einbauküchenschränke in altweißem Holz. Ich bemerke einen dicken klobigen Holzblock, der als kleine Ablagefläche dient. Jede Fläche ist bis auf den kleinsten Fleck optimal genutzt. Trotzdem ist alles hell, gemütlich und einladend, auch wenn kein Tisch plus 4 Stühle Essemble das Bild ausmacht. Im Gegenteil: keine klitzekleinste Sitzgelegenheit ist zu finden. Stattdessen hängen ausgedruckte Rezepte am Kühlschrank, mit liebevollen Anmerkungen von Freunden. Mittendrin wahllos dutzende kleine Ölflaschen und Gewürzgläser. Hier wird offensichtlich mit Leib und Seele gekocht.
Irgendwann ist es Zeit zu gehen und ich sage Tschüss. Vergessen werde ich dieses Paar aber noch lange nicht und die kleine aber feine Küche schon gar nicht.
Die Moral von der Geschicht:
Auch reiche Menschen müssen sich hin und wieder in großen Städten den baulichen Vorgaben des Hauses unterordnen und mit einer kleinen Küche leben. Wie ich heute gesehen habe, kann das auch den besonderen Charme des Hauses ausmachen, wenn ein Raum trotz kleiner Schwachstelle großartig vor sich hinglänzt.
♥ Es ist wie so oft im Leben: Eine kleine Prise Imperfektion ist der Schlüssel zum Herzen. Mein Herz hast du, kleine Küche!